Serielles Bauen gewinnt an Bedeutung
Mit Fertigbauteilen gegen die Wohnungsnot
Wohnraummangel trifft Realität – die Antwort heißt: industrieller Wohnungsbau
Deutschland braucht Wohnungen – schnell, bezahlbar und in großer Zahl.
Nach Schätzungen im Auftrag des Bundesbauministeriums werden bis 2030 jährlich rund 320.000 neue Wohnungen benötigt, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden.
In einer Zeit, in der traditionelle Bauprojekte durch explodierende Kosten, Planungsverzögerungen und Fachkräftemangel ausgebremst werden, rückt ein Lösungsansatz zunehmend in den Mittelpunkt:
das serielle Bauen mit Fertigbauteilen.
Trendwende im Wohnungsbau: Jeder zehnte Neubau mit Fertigteilen
Wie aus aktuellen Zahlen des Bundesbauministeriums hervorgeht, wurde 2023 bereits mehr als jede zehnte neu gebaute Wohnung in Deutschland in serieller Bauweise errichtet – exakt 11,5 Prozent.
Zehn Jahre zuvor lag der Anteil noch bei rund 8 Prozent.
Die absolute Zahl stieg von unter 20.000 im Jahr 2014 auf rund 28.400 Wohnungen im vergangenen Jahr.
Eine Sprecherin des Ministeriums betont:
„Das serielle Bauen hat sich in Deutschland zu einem strategisch wichtigen Instrument entwickelt, um den Wohnungsbau zu beschleunigen und effizienter zu machen.“
Auch bei schwacher Baukonjunktur konnte der Fertigbau seinen Marktanteil steigern.
Was bedeutet „serielles Bauen“ konkret?
Beim seriellen Bauen werden vorgefertigte Bauteile – etwa Wände, Decken oder ganze Raummodule – in industriellem Maßstab in Werkhallen produziert und auf der Baustelle lediglich montiert.
Dies verkürzt Bauzeiten erheblich, ermöglicht gleichbleibende Qualität und reduziert Abfallmengen sowie Lärm vor Ort.
Die Bauweise ist besonders geeignet für:
- große Wohnquartiere, z. B. in städtischen Neubaugebieten,
- Aufstockungen auf bestehende Gebäude,
- Nachverdichtungen in Bestandsvierteln,
- energetische Sanierungen durch vorgefertigte Fassaden- und Dachelemente.
Auch die serielle Sanierung boomt
Nicht nur beim Neubau, auch im Gebäudebestand gewinnt das serielle Bauen an Fahrt. Laut Bauministerium hat sich der Anteil der seriellen Sanierung in nur zwei Jahren von zwei auf mehr als 23 Prozent erhöht.
Damit reagieren Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften auf die energetischen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und die angespannte Lage am Handwerkermarkt.
Hier kommen beispielsweise vorgefertigte Fassadenelemente mit integrierter Dämmung, Fenstern und Technik zum Einsatz.
Die Elemente werden passgenau gefertigt und in kurzer Zeit vor Ort installiert – mit minimaler Belastung für die Mieterinnen und Mieter.
Städte wie Mannheim oder Berlin setzen Maßstäbe
In Städten wie Mannheim wurde das Potenzial des seriellen Bauens bereits ausgeschöpft.
Dort ließ eine städtische Wohnungsgesellschaft mehr als 360 Wohnungen in einem neuen Stadtviertel komplett in Modulbauweise errichten – ein Vorzeigeprojekt für andere Kommunen.
Auch in Berlin oder München entstehen zunehmend größere Bauprojekte mit modularer Fertigung, oft kombiniert mit sozialem Wohnungsbau oder Förderprogrammen zur energetischen Sanierung.
Wirtschaft und Kommunen loben – aber mahnen Reformen an
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) sehen im seriellen Bauen eine der zentralen Antworten auf den chronischen Wohnungsmangel.
GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser betont: „Die serielle und modulare Bauweise hat sich etabliert.
Wir rechnen damit, dass künftig 20 bis 25 Prozent des Wohnungsbaus auf dieser Basis laufen könnten.“
Trotzdem bleibt Kritik: Vergabeverfahren seien zu langwierig, die Landesbauordnungen zu unterschiedlich, und das Vergaberecht zu bürokratisch. Öffentliche Ausschreibungen dauerten teils Jahre, was die Vorteile des schnellen Bauens wieder zunichtemache.
Baukrise im Hintergrund: Hohe Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierung
Auch das serielle Bauen kann die strukturellen Probleme der Branche nicht vollständig aushebeln.
Die steigenden Materialpreise, eine schwache Nachfrage wegen hoher Zinsen und immer komplexere Förderbedingungen setzen auch dieser Bauform zu. Zudem fehlt es an Fachpersonal in der Montage und bei der digitalen Planung.
Trotzdem bleiben viele Experten optimistisch: „Das serielle Bauen ist keine Notlösung – es ist die Zukunft des Bauens“, heißt es aus Branchenkreisen.
Der Mix aus Vorfertigung, Digitalisierung (BIM) und energetischer Effizienz könnte Deutschland helfen, den Rückstand im Wohnungsbau aufzuholen.
Serienbau ist ein wichtiger Baustein – aber kein Allheilmittel
Serielles Bauen bietet erhebliche Vorteile: Es spart Zeit, senkt Kosten und hilft dabei, energetische Ziele schneller zu erreichen.
Für Kommunen, die kurzfristig Wohnraum schaffen müssen, ist es ein essenzielles Werkzeug – vor allem im sozialen Wohnungsbau oder bei der Unterbringung von Geflüchteten.
Doch ohne politische Reformen – etwa im Bauordnungsrecht, beim Fachkräftemangel oder bei der Finanzierung – kann auch der moderne Modulbau sein volles Potenzial nicht entfalten.
Serielles Bauen gewinnt an Bedeutung – Der Weg aus der Wohnungsnot?
Vielleicht nicht allein. Aber sicher als Teil eines größeren Lösungsansatzes: neben Entbürokratisierung, gezielter Förderung, besserer Flächenverfügbarkeit und innovationsfreudiger Planung.
Das „Bauen aus der Fabrik“ ist in Deutschland angekommen.
Jetzt gilt es, daraus einen echten Paradigmenwechsel zu machen.